Versicherungen rund um den Radsport

Im Tour-Magazin 2/2001 gab es einen interessanten Artikel:

Versicherungen und Radsport - Eigeninitiative ist gefragt!
Von Fall zu Fall
Radsport ist nicht ungefährlich - Stürze und Unfälle gehören dazu, wenn Rennradfahrer sich privat oder in organisierten Wettkämpfen messen. Doch wer zahlt eigentlich, wenn bei solchen Zwischenfällen Sachschäden oder schwere Verletzungen entstehen? Anton Jans hat sich bestens vorbereitet, ist gut trainiert und motiviert bis in die Haarspitzen: Der Freizeit-Radsportler aus Schnürpflingen in der Nähe von Ulm, seit vielen Jahren im Sattel aktiv, will beim Jedermann-Rennen des 18. Burggener Herbstpreises Renn-Atmosphäre schnuppern und sich mit Gleichgesinnten messen. Doch der Spaß am Sport ist für Anton Jans an diesem Tag jäh vorbei. Beim Spurwechsel eines Konkurrenten von der rechten zur linken Fahrbahnseite wird der Hobby-Rennfahrer angefahren und stürzt aus vollem Tempo. Jans zieht sich erhebliche Prellungen zu, die Klamotten sind hin und am Rad entsteht Sachschaden von rund 2.000 Mark. Außerdem wird er drei Wochen krank geschrieben und muss die Radsport-Saison - der Unfall ereignete sich am 8. Oktober 2000 - vorzeitig beenden. Die Heilung der Schulterverletzung zieht sich über mehr als sechs Wochen hin. Neben dem entgangenen Fahrrad-Spaß wurmt Anton Jans allerdings am meisten, dass sich niemand für den entstandenen Schaden verantwortlich fühlt. Zunächst wollte er den Verursacher des Sturzes dazu vergattern, den Schaden seiner Haftpflicht-Versicherung zu melden - doch der winkte nur ab. Was auf den ersten Blickunter Sportsfreunden unfair scheinen mag, ist aber sogar richtig: Die Haftpflicht des Konkurrenten hätte Jans' Schaden mit ziemlicher Sicherheit sowieso nicht bezahlt.

Radsport und Versicherungen - das ist ein ebenso heikles wie schwer durchschaubares Thema. Unfälle und Stürze gehören zum Sport, zum Radrennsport allemal. Doch das Versicherungsnetz, das jeder Mensch um sich spinnt, weist für den Sportler gelegentlich so große Maschen auf, dass es nicht in allen Fällen wirklichen Schutz bietet.

Das Wichtigste in diesem Zusammenhang ist, selbst aktiv zu werden, sich über den bestehenden Versicherungsschutz zu informieren. Bevor es im Radsport zu Unfällen oder Stürzen kommt, die mit nennenswerten Schäden verbunden sind, sollten grundsätzlich zwei Dinge geregelt werden: sich gegen Schäden zu wappnen, die einem selbst zustoßen können und gegen Schäden, die man möglicherweise anderen zufügt. Für den Selbstschutz ist die Unfall-Versicherung zuständig, für die Ansprüche eines Unfallgegners oder sportlichen Widersachers die Haftpflicht-Versicherung. Beide Versicherungen hat man nicht "irgendwie sowieso": Man muss sie selbst abschließen. Hier beginnen die Feinheiten - unter anderem damit, dass die sporttreibende Menschheit in Deutschland in zwei Teile zerfällt: In solche, die Mitglieder eines Sportvereins sind und in solche, die es nicht sind.

Für Freizeit-Sportler, die nicht im deutschen Vereinswesen aufgehen, ist die Versicherungslage, gelinde gesagt, dramatisch. Das wird deutlich, wenn man die diversen Versicherungen und ihre Bedingungen durchleuchtet.


Die Unfall-Versicherung
Wissen muss man, dass es eigentlich zwei Formen der Unfall-Versicherung gibt: Die gesetzliche Unfall-Versicherung schützt Arbeitnehmer, Schüler, Studenten und Auszubildende bei allen Tätigkeiten und auf allen Wegen, die mit Ausbildung und Beruf zu tun haben - aber auch nur das.

In allen Bereichen des privaten Lebens - also auch beim Sport - bietet nur eine private Unfall-Versicherung Schutz, die jeder für sich abschließen muss. Der Versicherungsumfang kann dabei meistens individuell festgelegt werden - und das ist wichtig, denn dieses Versicherungsgeschäft ist Teil der freien Wirtschaft und die Leistungen der Anbieter differieren mitunter erheblich!

Mit Blick auf die Karriere als Hobby-Rennfahrer sollte das "Erzielen von Höchstgeschwindigkeit" (so ein gängiger Versicherungspassus) unbedingt durch die private Unfall-Versicherung abgesichert sein. Normalerweise ist das so, doch es schadet nichts, so Bernd Seltmann von der Vermittlungs-Agentur unfall-direkt.de, "wenn man bei Vertragsabschluss auf sein Hobby hinweist und sich den Versicherungsschutz auch für diesen Bereich bestätigen lässt".

Auch Silvana Rapp von der Sport-Assekuranz, einem auf diesen Bereich spezialisierten Anbieter, rät: "Weisen Sie beim Abschluss einer Unfallversicherung darauf hin, dass Sie Radrennfahrer sind, auch wenn sich dadurch möglicherweise die Versicherungsbeiträge erhöhen. Rechtsverbindlich sind solche Zusätze in Versicherungsverträgen aber nur, wenn eine schriftliche Bestätigung der Versicherungsgesellschaft vorliegt. Die mündliche Zusage eines Maklers oder Versicherungsvertreters reicht nicht aus!

Die private Unfallversicherung kann im Schadensfall, je nach Umfang des vereinbarten Vertrages, Kosten beispielsweise für Bergung und Rettung, kosmetische Operationen, Invalidität oder eine Unfallrente übernehmen. Die Leistungen aus der Unfallversicherung sind auch unabhängig von der Schuldfrage.


Die Haftpflicht-Versicherung
Grundlage aller Haftungsfragen ist der Paragraf 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches, wonach derjenige für einen Schaden haftet, der ihn verursacht hat. Weil dies ganz schnell ganz teuer werden kann, springt in diesen Fällen die private Haftpflicht-Versicherung ein - wenn man eine abgeschlossen hat. Dieser Versicherungsschutz deckt den Risikobereich des täglichen Lebens ab und umfasst Personen- sowie Sachschäden und durch Sachschäden hervorgerufene Vermögensschäden. Autofahrer beispielsweise sind per Gesetz zwingend haftpflichtversichert. Ohne diesen Nachweis können sie ihr Auto gar nicht zulassen. Weil Schäden, die in den Bereich der persönlichen Haftung fallen, schnell in die Millionen gehen können, schließen die Versicherungen in ihren Verträgen bestimmte Risiken von vorneherein aus. Dazu gehört auch und besonders der Radrennsport in allen Variationen: Rennen natürlich, aber auch Radtourenfahrten, Marathons, Jedermann-Rennen und die Vorbereitung darauf. Was unter der Vorbereitung auf solche Veranstaltungen zu verstehen ist, lassen die Versicherungen in ihren Vertragsbedingungen vielfach im Unklaren - aber im Kern ist davon auszugehen, dass der Versicherungsschutz da endet, wo zwei Rennradfahrer gemeinsam auf die Trainingsrunde gehen.

Was bedeutet das für die Praxis? Es bedeutet, dass man als Freizeitsportler im Bereich der persönlichen Haftung fast ohne Versicherungsschutz unterwegs ist. Gängiges Beispiel und vieltausendfache Praxis: Eine Gruppe von Rennradlern geht gemeinsam auf die abendliche Trainingsfahrt, fährt in Zweier-Reihe Windschatten und wechselt regelmäßig durch. Verursacht einer der Fahrer einen Sturz, weil er zu dicht auffährt und das Hinterrad des Vordermannes touchiert, haftet keine Versicherung für den Schaden, den er dadurch den Mitradlern zufügt.

Aus solchen Unfällen resultierende Streitfälle sind schon zuhauf vor deutschen Gerichten gelandet. Die dabei gefällten Urteile unterscheiden sich in Details, aber als gesicherte Erkenntnis lässt sich herausfiltern, dass fast alle mit dem Radsport verbundenen typischen Gefahren nicht von den Versicherungen abgedeckt werden: Also das Fahren in der Gruppe, Windschattenfahren und ähnliches. Die Gerichte betrachten das als "erlaubte Risiken", die zum Wesen des Sports gehören, weshalb sie der Sportler in Ausübung des Sports stillschweigend akzeptiert. In gewisser Weise sind Radsportler also von der Haftung freigestellt - zumindest bis zu dem Grad, an dem ihnen wirklich grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz nachzuweisen ist.

Bei einem typischen Rennunfall kann man auch nicht den Veranstalter in die Pflicht nehmen. Der schließt zwar eine so genannte Veranstalter-Haftpflicht ab, aber die springt nur bei Schäden ein, die aus Versäumnissen des Veranstalters resultieren - fehlende Absperrungen etwa oder unzureichende Streckensicherung. Auf "normale" Stürze, die sich aus dem Renngeschehen ergeben, ist die Veranstalter-Haftpflicht nicht anwendbar.


Auf der sicheren Seite
Der einfachste Ausweg aus diesem Dilemma ist die Mitgliedschaft in einem Radsport-Verein, der zum Dachverband, dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR) gehört. Für Mitglieder in einem eingetragenen Verein stellt sich die Situation nämlich komplett anders dar: Hier ist es so, dass die Landessportbünde bzw. -verbände für ihre Mitglieder in allen Bundesländern Sportversicherungs-Verträge abschließen.

Für die Dauer ihrer Mitgliedschaft sind sie damit bei sämtlichen sportlichen und sonstigen satzungsgemäßen Aktivitäten des Vereins (Versammlungen, Feiern, Fortbildungen usw.) versichert - und zwar unfall- und haftpflichtversichert. Zu den sportlichen Aktivitäten zählen ausdrücklich Wettkämpfe, Freizeitsport sowie Trainings- und Übungsstunden.

Bei einer Veranstaltung wie beispielsweise dem Jedermann-Rennen der HEW Cyclassics, das vor allem für Fahrer ohne Lizenz ausgeschrieben ist, sind Vereinsmitglieder "bei delegierter Teilnahme im Auftrag ihres Vereins" über die Sport-Versicherung ihres Landesverbandes versichert. Wichtig ist aber, dass die Sportausübung der Mitglieder im Zusammenhang mit den Vereinsaktivitäten steht – und hier lauern auch im Geltungsbereich der Sportversicherungen Fußangeln.

Der entsprechende Passus im Vertragstext lautet: "Für Einzelunternehmungen von Mitgliedern in der für sie zuständigen Spezialabteilung ... besteht ebenfalls Versicherungsschutz, sofern diese Einzelunternehmungen ausdrücklich angeordnet worden sind." Rennradlern mit Lizenz, die am organisierten Rennbetrieb teilnehmen, wird auch bei Einzeltraining zugestanden, dass es dem Zweck des Vereins dient und sie somit versichert sind. Aber auch dabei ist Voraussetzung, dass Vereinsvorstand oder Trainer das Einzeltraining ausdrücklich angeordnet haben oder aber von dessen Durchführung wissen. Vereinsmitglieder ohne Rennlizenz, die auf der abendlichen Runde alleine trainieren, können sich nicht auf die zitierte Regelung berufen, wenn sie dabei verunglücken.

So weist der Gerling-Konzern als einer der großen Anbieter von Sportversicherungen darauf hin, dass "die sonntägliche Radtour eines BDR-Mitgliedes für das einzelne Mitglied durchaus den Charakter einer Trainingsfahrt haben kann, ohne dass jedoch Versicherungsschutz über die Sport-Versicherungsverträge derLandessportbünde/-verbände besteht".

Der BDR lässt seine Mitglieder aber auch in dieser Situation nicht im Regen stehen. Um die Versicherungslücke zwischen Vereinssport und privatem Radfahren zu schließen, bietet er seinen Mitgliedern die Private Tretrad-Versicherung an. Sie schützt den Versicherten "gegenüber den wirtschaftlichen Folgen körperlicher Unfälle, von denen die versicherten BDR-Mitglieder beim privaten Radfahren betroffen werden". Die Leistungen aus dieser Versicherung sind - wie die Prämie - allerdings wesentlich niedriger als die der Sportversicherung über den Verein.

Radsportler, die keine Lust auf die Mitgliedschaft in einem Radsport-Verein haben, müssen dennoch nicht verzweifeln, wenn sie um ausreichenden Versicherungsschutz bemüht sind. Zum einen sind nicht alle Versicherungen so rigoros in der Interpretation ihrer Vertragsbedingungen. Günter Krautmacher, Mitarbeiter der sporterfahrenen Gerling-Versicherung, meinte gegenüber TOUR: "Da es bei einer RTF nicht um die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten geht, ist der Versicherungsschutz im Rahmen der Haftpflichtversicherung gegeben." Es empfiehlt sich auf jeden Fall, bei der privaten Haftpflicht-Versicherung nachzufragen und eine individuelle Lösung auszuhandeln. Gelegentlich sind die Versicherungen gegen eine entsprechende Erhöhung der Prämie auch bereit, das Risiko der Teilnahme an Rennen abzusichern. Nach Recherchen von TOUR gibt es außerdem einen Versicherungsmakler in Deutschland, der unter dem Namen "Bike Assekuranz" spezielle Versicherungen für Radsportler anbietet: die Pergande & Pöthe GmbH in Hamburg. Zu deren Sortiment gehört auch eine Haftpflicht-Versicherung, die, so Ralf Pergande, "auch während der Teilnahme an Radrennen und bei den Vorbereitungen" gilt. Der Makler weiter: "Unsere Haftpflicht zahlt auf Grundlage der gesetzlichen Haftpflicht alle berechtigten Forderungen, zum Beispiel Schadensersatz nach einem Unfall beim Radrennen."

Anton Jans hat nach seinen vergeblichen Versuchen, den Schaden aus seinem Renn-Unfall ersetzt zu bekommen, eine andere Entscheidung getroffen. Als Mitglied im SC Vöhringen macht er in der kommenden Saison Nägel mit Köpfen, damit die Sache mit der Versicherung ein für alle Mal klar ist: "Ich habe eine Rennlizenz beantragt und werde Seniorenrennen bestreiten."

Text: Thomas Musch
Mitarbeit: Manuela Gotthardsleitner